Umsetzung der Richtlinien nach § 72 und § 82c SGB XI (Tariftreuergelungen für kassenzugelassene Anbieter)

Mit 4-monatiger Verzögerung sind die Richtlinien nach § 72 und § 82c SGB XI durch den GKV-Spitzenverband veröffentlicht worden. Damit liegen nun die notwendigen Grundlagen
zur Umsetzung des GVWG hinsichtlich der Tarifpflicht in der Pflege und Betreuung vor. Somit sind die Grundlagen für die Definition der tariflichen Entlohnung bekannt und die Betreuungsdienste
können anhand dieser die Entscheidung über die angestrebte künftige Gehaltsstruktur sowie die erforderlichen Vergütungsverhandlungen vorbereiten bzw. treffen. Diese Regelungen betreffen pflegekassenzugelassene Pflege- und Betreuungsdienste. Landesrechtlich anerkannte Dienste sind davon nicht erfasst.

Im Sommer letzten Jahres hatte der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung(Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) beschlossen. Darin wurde u.a. festgelegt, dass alle Pflegeeinrichtungen ab dem 1. September 2022 einen Tarifvertrag oder kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien abschließen oder ihren Beschäftigten in der Pflege und Betreuung eine tarifliche Entlohnung zahlen müssen, um den Versorgungsvertrag fortzuführen bzw. einen solchen zu erhalten. Laut Gesetz sollten die Rahmenbedingungen im September 2021 veröffentlicht werden. Dies hat sich nun bis zum 27.01.2022 verzögert. Nun sind die
Richtlinien nach § 72 und § 82c SGB XI veröffentlicht. Sie stehen zum Download auf der
Webseite des GKV-Spitzenverbandes zur Verfügung:
Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 72 Absatz 3c SGB XI zu den Verfahrens und
Prüfgrundsätzen zur Einhaltung der Vorgaben für Versorgungsverträge nach § 72 Absätze 3a und 3b SGB XI (Zulassungs-Richtlinien) vom 24.01.2022 

Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes nach § 82c Absatz 4 SGB XI zum Verfahren nach 82c Absätze 1 bis 3 und 5 SGB XI (Pflegevergütungs- Richtlinien) vom 24.01.2022

Präsentation von Herrn Küppers zum Thema Tariftreue § 72

Wesentliche Inhalte der Richtlinien für Betreuungsdienste:

Für tarifvertragsgebundene Betreuungsdienste ändert sich nichts. Wesentliche Änderungen und Handlungsbedarfe ergeben sich für nicht tarifgebundene Einrichtungen.

Diese müssen neu die Pflicht zur tariflichen Entlohnung erfüllen und die vergütungsbezogenen Bestandteile aus den für das Bundesland zulässigen Tarifverträgen bzw. den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien zwingend für eine tarifliche Entlohnung anwenden.

Klargestellt wird zudem, dass neben den tariflichen Grundgehältern die Arbeitszeit und alle Jahressonderzahlungen sowie pflegetypische Zuschläge bei der Feststellung der tariflichen Entlohnung ebenso berücksichtigt werden wie vermögenswirksame Leistungen.

Betreuungsdienste ohne Tarifvertragsbindung haben zwei Möglichkeiten zur Erfüllung der Vorgaben:

A) Der Betreuungsdienst zahlt in Anlehnung an einen im Land geltenden Tarifvertrag bzw. geltende kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinie. Der anzulehnende Tarifvertrag muss entsprechend der Richtlinie vom Landesverband der Pflegekassen als im Bundesland anwendbaren Tarifverträge gelistet sein. Bitte prüfen Sie dahingehend regelmäßig die Seiten des für Sie zuständigen Landesverbandes der Pflegekassen auf die Veröffentlichung der Informationen.

B) der Betreuungsdienst zahlt entsprechend der für das Bundesland von den Pflegekassen veröffentlichten Durchschnittsgehältern inklusive der durchschnittlichen Zulagen der tarifgebundenen Einrichtungen im Land. Die Daten für die Durchschnittsgehälter werden von den Landesverbänden der Pflegekassen sollen bis zum 15. Februar veröffentlicht werden. Betreuungsdienste, die ihre Mitarbeitenden nach diesen Durchschnittswerten, Entlohnungen und Zuschlägen vergüten, sollen die Anforderungen der § 72 und § 82c SGB XI erfüllt haben. Deren Entlohnung entspricht dann einem ermittelten „Durchschnittstarif“.

Die Übersicht der in den Bundesländern anzuwendbaren Tarifverträge und eine Übersicht der im Bundeslands alternativ anwendbaren Durchschnittsentgelte (Seite 3) stehen hier zur Verfügung:   Tariftreue Veröffentlichung nach § 82c Abs. 5 SGB XI

Die Tarifbindung für die Mitarbeitenden in der Pflege und Betreuung, deren Arbeitszeitanteil in diesen Tätigkeitsbereichen mindestens 50% umfassen. Die verantwortliche (leitende) Betreuungkraft sowie deren Stellvertretung, sofern diese nicht mehr als 50% der Arbeitszeit im Kundeneinsatz sind, sind nicht davon erfasst.  D.h.: ist im Arbeitsvertrag des Mitarbeitenden festgelegt, dass die hauswirtschaftlichen Leistungen in den vereinbarten Wochenarbeitsstunden mindestens 50% des Arbeitszeitumfangs umfassen, sind die Regeln des Tariftreuegesetzes auf den betreffenden Mitarbeiter nicht anzuwenden. Wichtig: es muss in der Betreuungsvereinbarung mit den Kunden ebenfalls sichergestellt werden, dass die hauswirtschaftlichen Leistungen überwiegen. Daher müssen in den Vereinbarungen entsprechende Zeiteinheiten festlegt werden (z.B. Einsatzdauer 4 Stunden, davon 3 Stunden hauswirtschaftliche Unterstützung in der Wohnung …). 

Die angewendeten Tarife bzw. Durchschnittsvergütungen sind entsprechend den gesetzlichen Vorgaben wirtschaftlich. Die konkreten Inhalte dieser Tarife, abseits der Vergütungsdaten, werden nicht veröffentlicht.

Die „neuen“ Vergütungen der in der Pflege- und Betreuung tätigen Mitarbeitenden müssen spätestens zum 31.08.2022 bezahlt werden.

Sofern die Vergütungsvereinbarungen vor dem 31.08.2022 kündbar sind bzw. auslaufen, sind die neuen Vergütungen unter Berücksichtigung der im Betreuungsdienst genutzten neuen Entgelthöhen zu kalkulieren und zu verhandeln. Läuft die Vereinbarung länger, sind die Vereinbarungen zeitnah mit einer Sonderkündigung zu kündigen, da sich wesentliche Grundlagen der Vergütungsfindung geändert haben. Zugleich sind die Pflegekassen zur Verhandlung neuer Vergütungen aufzufordern.

Bis zum 31.03.2022 muss der Betreuungsdienst seine ab dem 01.09.2022 angewendete Vergütungsstruktur online melden. Dazu erhält er von der Pflegekasse entsprechende Informationen. Eine Registrierung mit den übersandten Zugangsdaten ist erforderlich. 

Der BBD übernimmt keine Vergütungsvereinbarungen. Die Entscheidung, welche Vergütungen Sie entsprechend der Richtlinien anwenden, müssen Sie aus der individuellen unternehmerischen Perspektive des Betreuungsdienstes treffen. Wir empfehlen, die von den Pflegekassen veröffentlichten Durchschnittsvergütungen (inkl. der genannten Zulagen) des Bundeslandes anzuwenden, in dem der Betreuungsdienst tätig ist.

Wenn Unterstützung bei Vergütungsverhandlungen gewünscht ist, kann die Geschäftsstelle Kontaktdaten zu entsprechenden Beratern weitergeben.