Hektische Einzelmaßnahmen gefährden pflegebedürftige Menschen

Köln, den 17.05.2021

Die drittletzte Sitzungswoche des Bundestages in dieser Legislaturperiode ist gestartet. Hektisch wurden einzelne Maßnahmen aus dem Arbeitsentwurf zur Reform der Pflegeversicherung des BMG nun in ein Omnibusgesetzes-Verfahren eingebracht. Dazu zählen als große Bausteine die Deckelung der Eigenanteile für stationäre Versorgungen und die Anwendung eines zwischen den Sozialpartnern vereinbarten Tarifvertrages als Voraussetzung für die Fortführung eines Versorgungsvertrages.

Die Deckelung des Eigenanteils der stationären Versorgung ist Augenwischerei, da die s.g. Verweildauer in stationären Pflegeeinrichtungen regelhaft kürzer als 12 Monate ist. Die versprochenen Entlastungen bekommen somit nur wenige Menschen tatsächlich zu spüren. Aber durch die Verpflichtung zur Anwendung eines Tarifvertrages wird es zu einer „Selbstbedienungentwicklung“ in Tarifverhandlungen mit der aktuell dafür zuständigen Gewerkschaft verdi kommen. D.h., schnell steigende Gehälter führen zu ebenso schnell steigenden Pflegekosten ambulanter und stationärer Anbieter.

80 Prozent, also vier Fünftel, der Menschen mit Pflegebedarf werden zu Hause versorgt. Diese bekommen keine Deckelung der Eigenanteile zugesagt. Im Gegenteil! Jede Erhöhung der Gehälter zahlen die Pflegebedürftigen direkt aus eigener Tasche. Da die Renteneinkommen oftmals nicht ausreichen, bleibt entweder der Gang zum Sozialamt oder die Leistungen von Pflege- und Betreuungsdiensten werden gekürzt. Dies führt zu dramatischen Unterversorgungen von ambulant betreuten und gepflegten Menschen sowie einer Überlastung pflegender Angehöriger. Jeder Euro höheres Gehalt bedeutet einen Preisanstieg von sogar 1,25 € in der ambulanten Pflege je Stunde, da die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers hinzugerechnet werden müssen. Bei 30 Tagen im Monat und durchschnittlich 2 Stunden Betreuung und Pflege sind das 75 € Mehrkosten pro Monat für die Pflegebedürftigen, wenn die Gehälter um „nur“ 1 € steigen.

Statt der versprochenen Entlastung von Menschen mit Pflegebedarf und deren Angehörigen kommt es zu massiven Belastungen. Diese 180 Gradwendung politischer Versprechen gefährdet daher die Versorgung von Pflegebedürftigen und deren Angehörigen.

Der BBD wendet sich nicht gegen vernünftige Steigerungen der Vergütungen in der Altenpflege. Jedoch darf die Steigerung der Lohnkosten nicht einfach zu Lasten Dritter erfolgen. Daher fordert der BBD eine zeitgleiche und regelhaft zu dynamisierende Steigerung der Leistungsbeträge der Pflegeversicherung. Der Dynamisierungsfaktor muss sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren, um die jährlichen Kostensteigerungen zu kompensieren. Pflegebedürftige und Mitarbeitende in der Pflege werden damit nicht gegeneinander ausgespielt.

Ohne eine Erhöhung der Leistungsbeträge besteht zudem die Gefahr, die ambulante und zeitintensive Pflege in der eigenen Wohnung auf die Schultern der oftmals schwarzarbeitenden osteuropäischen Living-in Kräfte zu verlagern. Das kann mit fairer Vergütung von Pflegekräften in Deutschland aus Sicht des BBD nicht gemeint sein.